Mit den Alpinrunner am Médoc Marathon
von Susanne Egli
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Schon
im Dezember kam bei den Alpinrunner die Idee auf, am Marathon du
Médoc teilzunehmen. Wegen der grossen Nachfrage an Startplätzen,
bekommt man diese Startnummern praktisch nur über einen
Reiseveranstalter.
Marco überliess die Organisation Albis
Reisen und so war es kein Problem, einen Startplatz dafür zu
erlangen. Im Vorfeld mussten wir einzig ein ärztliches Attest
vorlegen (weil dies in Frankreich so üblich ist) und uns ein
originelles und dennoch lauftaugliches Kostüm ausdenken. Beim
30. Médoc-Marathon war das Thema „Les
Pays du Monde et leurs Carnavals. Dem Vorschlag meiner Bündner
Laufkollegen, in einem „Steinbock-Kostüm“ teilzunehmen, passte
ich mich natürlich gerne an.
Am 11. September 2014 war es dann endlich so weit.
Gemeinsam reisten wir mit dem Flugzeug ab Basel nach Bordeaux,
wo wir auch gleich mitten in der Stadt in einem Hotel logierten.
Da Christof, unser Guide, die Startunterlagen inkl.
Finisher-Shirt bereits ins Hotel schicken liess, konnten wir uns
am Freitagmorgen nach dem Frühstück voll auf einen Städtebummel
im Doppelstöckerbus konzentrieren. Wir alle waren sofort von der
schönen Stadt an der Garonne begeistert. Auch das Wetter meinte
es gut mit uns. Sich an Temperaturen von über 25 Grad und
strahlend blauem Himmel zu gewöhnen, fiel uns nach dem miesen
Sommer in der Schweiz nicht schwer.
Am Abend beim gemeinsamen Nachtessen wurden
die verschiedensten Laufstrategien ausgedacht, fröhlich gelacht,
geplaudert und alle waren gespannt auf den morgigen Tag. Die
Laufzeit wird bei allen Nebensache sein, Genuss wird im
Vordergrund stehen. Am
weltweit bekanntesten und originellsten Langstreckenlauf werden
über 50 Nationen starten, davon gemäss Marathon-Broschüre 138
Schweizer. Von den 10000 Startenden kommen die meisten Läufer
logischerweise aus Frankreich, gefolgt von England, Deutschland
und erstaunlicherweise 449 Japanern.
Am Samstagmorgen um 6:30 Uhr wurde unsere Gruppe in
Steinbock-Montur per Bus ins etwa 50 km nördliche von Bordeaux
gelegene Paulliac zum Startgelände gebracht. Was da schon vor
dem Startschuss für eine Stimmung abging, ist einfach
unbeschreiblich.
An der Promenade von Pauillac versammelte sich nach und nach
eine sehr phantasievoll kostümierte Läuferschar. Von Kimonos
über knapp bekleidete hawaiianische Baströckchen und
Blumenketten, Clown-Outfits, bayrischen Lederhosen oder
Sträflingskostümen schienen die Verkleidungsideen unbegrenzt. Da
waren viele männliche Teilnehmer in aufreizenden Tutus oder
bunten Perücken und natürlich unser 16-köpfiges (resp.
96-beiniges) Steinbock-Rudel. Weil unsere Kostümwahl so
einzigartig und sympathisch war, wurden wir auch von vielen
Fremden zum begehrten Foto-Sujet gewählt. Die etwa 5% normal
bekleideten Sportler wirkten hier fast schon etwas exotisch.
Nach dem gemeinsamen französischen Count-Down von 10 bis 0
wurden wir schliesslich begleitet von Samba-Rhythmen und
tosendem Applaus auf die Strecke geschickt. Diese führte
hauptsächlich durch unendlich weit reichende Weinfelder und
diverse kleine Dörfer, wo immer stimmungsvolle Musikbands
zusätzlich für viel Unterhaltung sorgten. Höhepunkte waren die
22 angelaufenen Châteaus, Anwesen mit riesigen Parks, wo überall
Wein zum Degustieren ausgeschenkt wurde, wohlverstanden in
Weingläsern und nicht etwa in billigen Plastikbechern! Wasser
gab’s reichlich in PET-Fläschchen mit Verschluss. Dies war sehr
angenehm, denn so konnte man es nach dem Halt mitnehmen, hatte
immer Wasser zur Hand und konnte unterwegs nach Bedarf trinken
oder so wie ich, den nicht getrunkenen Inhalt über den erhitzten
Kopf giessen.
Zusätzlich zu den Châteaus gab es sportlergerechte
Verpflegungsstellen mit Wasser, isotonischen Getränken, Cola,
Riegeln, Früchten und Kuchen und anderen Köstlichkeiten. Ab km
37 wurden sogar, Austern, Entrecotes, Champagner oder Glacé
aufgetischt.
Schon vor km 3 hätte man ein kleines Frühstück mit Croissants
und Orangensaft zu sich nehmen können. Nicht dass unsere
Steinböcke menschenscheu wären, aber wir wollten zuerst mal ein
paar Kilometer gut machen und aus der wandelnden Menschenmasse
entfliehen. So liessen wir diesen Posten aus.
Beim dritten Château Phélan Ségur nach etwa 7 km sah ich aber
doch tatsächlich meine Churer Laufkameraden schon beim
feuchtfröhlichen Anstossen und Wein degustieren. Ich zog weiter,
da ich ohnehin mit dem flotten Lauftempo der Alpinrunner nicht
mithalten konnte. Ein paar Kilometer später kamen diese denn
auch schon wieder von hinten angerannt. Das war witzig, so
konnte ich mein Tempo laufen und war trotzdem immer bei den
Leuten. Unsere Steinböcke wurden zwar vielfach als Ziege
wahrgenommen, sie aber waren fast schon kleine Stars. Immer
wieder bekamen wir aufmunternde Sprüche zugerufen: „Allez la
chèvre! Bon courage!“
Irgendwann verlor ich die Gruppe aus den Augen, da auch ich
überall ein bisschen stehen blieb, mich verköstigte und viele
Fotos knipste und dem bunten Treiben zuschaute. Obschon der
Médoc-Marathon halt doch auch 42.195 lange Kilometer dauert,
habe ich noch nie an so einem kurzweiligen Lauf teilgenommen.
Mein pelziger Begleiter um den Bauch und die heisse Sonne
machten mir zeitweise etwas zu schaffen. Aber dafür gab’s ja
genügend Verpflegungsstände zur Abkühlung. Noch nie war mir ein
Glacé so willkommen, wie jenes bei Kilometer 40.
Wie alle von unserer Gruppe überschritt auch ich irgendwann
überglücklich innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits den 100
Meter langen roten Teppich und die Ziellinie. Diese Zeitvorgabe
wurde später infolge heisser Temperaturen noch eine halbe Stunde
verlängert.
Trotz der besonderen Bedingungen waren im Vergleich zu einem
normalen Marathon wenige Ausfälle oder gar kollabierenden Läufer
zu sehen. Betrunkene Teilnehmer oder Glasscherben, wie man dies
von einem fasnachtsähnlichen Lauf erwarten könnte, sah man
nirgends.
Wir alle sind
begeistert von der super Organisation. Unsere Erwartungen wurden
weit übertroffen, und wir sind uns einig, dass man diesen
kultigen Marathon einmal erlebt haben muss.
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